Predigten

Einige meiner Predigten finden Sie auch unter dem Link Predigtpreis.


Auf dieser Seite sind die folgenden Predigten eingestellt:




Weitere veröffentlichte Predigten:




Andacht: Sonntag, 20. 9. 2009

Predigttext: Kohelet (=Prediger) 3, 13:

"Ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes."

"Lebenskunst aus Gott"

Liebe Leser,

vor kurzem las ich, dass Gott seine Schöpfung von Anfang an ganz anders verstand, als wie wir sie in der Bibel geschildert lesen. Über diese Feststellung war ich ebenso erstaunt wie Sie. Meine Frage lautete: "Wie hat er sie denn eigentlich geplant?" Ich möchte Gottes Gegenentwurf zur jetzigen Schöpfung wissen.

Im Schöpfungsbericht der Bibel heißt es deutlich: "Gott betrachtete alles, was er geschaffen hatte, und er hatte Freude daran, alles war sehr gut". Gott war mit seiner Schöpfung einverstanden. Er fand sie gut.

Zwei Ansichten über die Schöpfung Gottes stehen sich gegenüber: die der Bibel und die der menschlichen Vermutung aufgrund der erlebten negativen Erfahrungen. Wir können den vermeintlichen Widerspruch aufklären, wenn wir den jeweiligen Aussagehorizont mit bedenken. Gottes Wort der Bibel ist ein Zuspruch an den Glaubenden, der den Glauben festigen will und damit Hoffnung wecken will. Die Aussage Gottes über seine Schöpfung: "Sie ist gut" verweist den glaubenden Menschen, in die Zukunft zu blicken, das Gut zu sehen und auch das Gute anzustreben. Die kritische Aussage des Menschen über die Schöpfung entspringt, der Gegenwart und vor allem menschlicher schlechter Erfahrungen. Denn wir empfinden in der Schöpfung neben der Freude und dem Schönen vor allem Leid, Katastrophen, Hunger, Krankheiten und Tod. Verständlich, dass wir uns eine bessere Gegenwelt wünschen. Wir wünschen uns das Gute, von dem die Bibel spricht.

Als Christen wird uns durch die Botschaft Gottes in Jesus Christus zugesprochen, dass er seine Schöpfung liebt. Deshalb brauchen wir uns als Glaubende nicht aus der Welt in eine Traum- oder Phantasiewelten zu flüchten. Wir sind aufgefordert genau hinzuschauen. Wir wissen, es gibt nur eine Wirklichkeit. Wir haben zu sehen, was uns alles in der Welt vorgegeben ist und was wir positiv machen können, wenn wir wollen. Laut Schöpfungsbericht sind wir von Gott nicht ins Dasein geworfen, sondern gewollt und beauftragt seine Schöpfung zu bebauen und zu bewahren. Durch seine Weisungen, Gebote und vor allem durch seinen Zuspruch gibt er uns die Orientierung zur Lebensgestaltung. Auch Jesus hat seine Zuhörer aufgefordert, das Gute zu vollbringen.

Wer diese Worte aus dem alttestamentlichen Buch des Predigers genau hört und zu begreifen beginnt, spürt den Zuspruch aus dem Wort: "das ist eine Gabe Gottes". Wir sind gefragt, ob wir Gottes Gaben, die uns im Alltagsleben aus der Schöpfung geschenkt werden, annehmen und uns darüber freuen. Begreifen wir, was uns geschenkt wird und ist, trotz unserer schnelllebigen Zeit?

Der Prediger spricht uns auf unsere alltäglichen notwendigen Dinge an. Er betont ausdrücklich: "Essen und Trinken". Lassen wir uns das Essen schmecken? Ich glaube großteils schon, denn heute wählt jeder sich sein Essen aus und lässt es sich schmecken. Es scheint so zu sein, wie der Prediger es sagt. Wir sind der Mensch, "der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinen Mühen".

Bei den alltäglichen Dingen, die wir fast gleichgültig manchmal tun, setzt der Prediger an. Sein Hinweis an uns lautet: "Lass Dir es schmecken, trotz aller Deiner Mühen". Positiv mögen wir uns Menschen zu den Gaben und Begabungen, die uns Gott gibt, verhalten. So hat es Dr. Martin Luther in seiner Auslegung des I. Glaubensartikel, gesehen, wenn er aufzählt was Gott uns Menschen zum Lebensunterhalt gegeben hat: Nahrung und Vernunft. Als Beschenkte dürfen wir sie annehmen und uns ihrer erfreuen. Wir aber nützen die Möglichkeiten nicht, weil wir sie vor lauter Sorgen nicht sehen können oder wollen. Manchmal verwenden wir die Gaben der Schöpfung nicht zu unserem Lebensunterhalt, sondern zum Luxus und zur aufwendigen Freizeitgestaltung.

Der Prediger verweist auf das Kleine und doch Notwendige. Er lobt den Menschen, der sich über sein Essen freut und es mit Genuss verspeist. Bei etwas Nachdenken stimmen wir ihm zu. Es stimmt, wenn einer sich das Essen schmecken lässt, dann fühlt er sich wohl dabei. Neue Gedanken werden in ihm wach und er sieht die Welt mit neuen Augen. Er beginnt fröhlich seine Arbeit. Mit einem kurzen Wort drückt es der Volksmund so aus: "Speis und Trank halten Leib und Seele zusammen". Unser Wohlergehen hängt von unserem Verhalten zu unserem Essen und Trinken ab. Eine mit Freuden eingenommene Mahlzeit stimmt froh auf den Alltag und seine Mitmenschen ein. Ganz anders ist es, wenn einer mit schlechter Laune isst. Dann kann auch das beste Essen ihm nicht schmecken und der Tag erscheint ihm schwer und belastend.

Nicht umsonst erscheinen auf dem Buchmarkt so viele Kochbücher und Anleitungen mit den Sinnen die Speisen zu genießen. Sie wollen zur "Lebenskunst"; "Zu guter Lebensgestaltung", wie auch "Zur Lebensfreude" anleiten. Es gibt sogar Kochkurse um dies zu lernen. Der Prediger lobt einen fröhlichen Menschen mit seiner einfachen und schlichten Feststellung: "Ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gott" Er wendet sich mit seinem Wort an den menschlichen Verstand und an dessen Einstellung und fordert ihn auf: "Lass es Dir schmecken". Wir sollten es ausprobieren und uns darin einüben.

Neben dem Essen wird der Mensch vom Prediger auch auf seinen Mut und damit auf seine Arbeitseinstellung angesprochen: "und hat guten Mut bei all seinem Mühen". Zur Arbeit gehört Mut und Zutrauen. Nur so kann sie gelingen. Wir wissen es, wer sich über seine Arbeit freut, dem ist sie keine Last. Er geht mit Mut und Kraft an sie. Er sieht sein Arbeiten als etwas Schöpferisches an und freut sich bewusst, seine Fähigkeiten einbringen zu können. Wer mit Verdruss an die Arbeit geht, dem wird sie zur Last und dem missling vieles. Auf die rechte Einstellung kommt es an.

Natürlich fragen wir uns: "Wie komme ich zur mutigen Einstellung?" Der Prediger spricht: "vom Mut, als einer Gabe Gottes". Wir wissen, dass es mit dem Mut nicht so einfach ist. Angst beherrscht menschliches Leben. Immer wieder hat Jesus der Angst den Glauben gegenüber gestellt. Wir kennen seine Worte: "Wenn ihr Glauben hättet, dann könntet Ihr auch Taten vollbringen". Glauben ist eine positive Haltung. Glauben verweist auf Zutrauen. Denn Glauben weckt Phantasie und führt in die Zukunft. Glauben ist eine urmenschliche Kraft. Sie bemüht sich Verbindungen zwischen mir und der Außenwelt, den Menschen und Sachen herzustellen. Glauben hängt auch mit unserem Begreifen und Denken zusammen. Im Erkennen und Begreifen verstehen wir, was um uns geschieht. Wir sehen Gott als den Geber, so wie es im Lied erklingt "All guten Gaben, alles was wir haben, kommt o Gott von Dir, Dank sei dir dafür." Wir sehen die Gaben der Schöpfung und wir bemerken unsere Mitmenschen als Mitmenschen. Wir haben wieder zu sehen und zu denken, denn Denken führt zum Staunen, aus dem wiederum geht das Danken hervor. Beide Worte: denken und danken, hängen zusammen. Denken erschließt die Freude über jedes kleine und gute Geschenk. Denken verweist auf Gott. dem Geber aller Gaben und befähigt daraus zu leben und sie anzunehmen.

Auch ohne die vielen Bücher zur Lebenskunst, können wir uns aus dem Gaben der Schöpfung zum Glauben an Gott und zur rechten Lebenskunst erziehen und sie begreifen, um aus ihr leben zu können. Es gibt auch eine Erziehung zum Glauben. Drei Schritte sind zu beachten: 1) Sich an kleinen Dingen erfreuen können. Daraus erwächst die Freude in einem und zu den Dingen und den Menschen. Diese Einsicht stärkt die Freude. 2) Sich über kleine Erfolge freuen können. Auf diese Weise gelingt der große Erfolg. Diese Erkenntnis macht Mut. 3) Das Ziel einer Sache sehen können, um dann anfangen zu können. Diese Zielorientierung gibt Kraft zum Durchhalten. All diese drei Schritte münden in die Freude, in den Dank und in das Loben. So verstehen wir, dass Gott mit seiner Schöpfung das Gute wollte und wir ihn loben können. Er lädt uns ein seine Gaben der Schöpfung positiv zu verwenden, trotz mancher Sorgen und Nöte. Denn durch das positive Denken können wir Sorgen und Nöte überwinden. Im Glauben an Gott wissen wir, dass wir eingebunden sind in sein Geben und Nehmen.

Zum Mut gehört auch das Bekennen. Der Liederdichter Paul Gerhardt hat offen in seinen Liedern den positiven Grundton der Glaubenshaltung angeschlagen, so im Lied: "Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerszeit an deines Gottes Gaben; schau an der schönen Gärten Zier und siehe, wie sie mir und dir sich ausgeschmücket haben."

Amen

nach oben




Predigt: zum 2. Weihnachtsfeiertag, 26. 12. 2007

Predigttext: Acta 7, 55-60:

"Setphanus aber blickte zum Himmel empor, vom Geist Gottes erfüllt. Dort sah er Gott in seiner Herrlichkeit und Jesus an seiner rechten Seite und rief: "Ich sehe den Himmel offen, und an der rechten Seite Gottes steht der Menschensohn". Als sie das hörten, schrieen sie laut und hielten sich die Ohren zu. Alle miteinander stürzten sich auf ihn und schleppten ihn vor die Stadt, um ihn zu steinigen. Die Zeugen, die als erste einen Stein auf ihn zu werfen hatten, legten ihre Oberkleider vor einem jungen Mann namens Saulus ab, damit er sie bewachte. Während sie ihn steinigten, betete Stephanus: "Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!" Dann kniete er nieder und rief laut: "Herr, strafe sie nicht für diese Schuld!" Mit diesen Worten starb er."

Theologische Betrachtungen:

Weihnachten ist das Fest der Menschwerdung Gottes in Jesus. Damit ist der Himmel auf Erden gekommen. Gott beginnt eine neue Geschichte mit den Menschen in Jesus Christus. Der 2. Weihnachtsfeiertag ist dem ersten Christusmärtyrer Stephanus geweiht. Er stirbt im Glauben an seinen Erlöser Jesus Christus, den er geschaut hat Acta 7, 59: "Herr Jesus nimm meinen Geist auf!".

Das Wort Himmel darf heute in seiner metaphorischen Bedeutung als bekannt vorausgesetzt werden. Die gewählten sieben Diakone sollten die Proselyten ebenso geistlich versorgen wie die zwölf Jünger die geborenen Juden. Die Apostel verliehen den Sieben die Fülle der Weihegewalt zur Seelsorge und der Armenpflege der Gesamtgemeinde.

Stephanus wird durch falsche Zeugen angeklagt. Die Anklagepunkte gegen Stephanus wegen Tempelzerstörung, wegen Mose (=Gebote) und wegen Gotteslästerung erinnern an die Anklage gegen Jesus vor dem Hohenrat vgl. Matthäus 26, 57-67.

In seiner Verteidigungsrede gibt Stephanus Acta 7, 2-53 einen Abriss der Heilsgeschichte Gottes mit den Juden. Das Christusbekenntnis Acta 7, 55-60 des ersten Diakons Stephanus ist in Anlehnung an Jesus Bekenntnis vor dem Hohenrat Lukas 22, 66-71 abgefasst. Angesichts des Todes empfiehlt Stephanus seinen Geist dem Herrn Jesus, gemäß des Psalms 31,6, der hier an Gottes Stelle tritt, vgl. Jesus letzte Worte Lukas 23,46. Wie Jesus, Lukas 23, 34, bittet Stephanus um Vergebung für seine Feinde Acta 7, 60.

Überraschend ist, dass das Bekenntnis des Stephanus sich auf Christus bezieht und damit den christlichen Glauben betont, der in der Erlösungstat Gottes in Jesus Christus gründet.

Der heilige Geist eröffnet dem Stephanus über alle Polemik hinweg den Blick in die unendlich überlegene himmlische Wirklichkeit. Er sieht zur Rechten Gottes Jesus stehen. Damit wird ausgedrückt, dass die Christen vor Gott - im Gegensatz zum Hohenrat - im Recht sind. Stephanus sieht mit dem offenen Himmel die letzte Entscheidung, die das irdische Geschehen sprengt. Alles geschieht für den Glaubenden unter Gott und Jesus Christus. Der Himmel ist offen. Stephanus ist Zeuge des erhöhten siegreichen Jesus geworden.

In der Verurteilung des Stephanus vor dem Hohenrat geht es um die Gottesvorstellung von Christen und Juden. Gott ist größer als alle menschliche geistige Fassungskraft, ist das Bekenntnis des Stephanus. Es erinnert an Jesus Aussage über Gott, Johannes 4, 23-24, im Gespräch mit der Samariterin am Jakobsbrunnen. Dies wollen seine Zeitgenossen angesichts ihrer religiösen Tradition nicht wahrhaben. Im Glauben an Jesus erkennt Stephanus, dass dieser den ursprünglichen Glauben an Gott wieder herausstellt. Durch Gottes Größe und Liebe, die sich in seiner Menschwerdung in Jesus zeigt, erlangt der Glaubende den Sinn seines Lebens und Handelns. Deshalb kann Stephanus angesichts seines Martyriums bekennen, dass er als Glaubender bei Gott angekommen ist: "Ich sehe den Himmel offen und an der rechten Seite Gottes steht der Menschensohn."

Predigt über Acta 7, 55-60

Liebe Gemeinde:

"Der Himmel steht uns wieder offen" vertonte Christian August Jacobi (1688-1725) als Weihnachtskantate. Der Text beschreibt die Befreiung der Seele aus der Macht des Satans. "Der Himmel steht uns wieder offen./ So komme du; Jesus, nun auf Erden./ So merket nun das Zeichen recht./ Wie! Satan, zitterst du nicht vor der Stelle./ So geht der Satan nun in Banden./ Was könnte mir nun Schrecken und Furcht erwecken?/ Ich singe dir mein Herze zu."

Das ist die Botschaft von Weihnachten: der Himmel ist offen. Die göttliche Verheißung hat sich erfüllt, wie es das Adventslied ankündet: "Tauet, Himmel, den gerechten, /Wolken, regnet ihn herab!/ rief das Volk in bangen Nächten,/ dem Gott die Verheißung gab,/ einst den Mittler selbst zu sehen/ und zum Himmel einzugehen;/ denn verschlossen war das Tor,/ bis der Heiland trat hervor." Gott macht seine Verheißung war. Er sendet Jesus als den Retter der Welt. Damit sind Himmel und Erde kein Gegensatz mehr, sondern verbunden. Gott ist der Handelnde, wie es bereits im Psalm 115,16 heißt: "Der Himmel ist der Himmel des Herrn; aber die Erde hat er den Menschenkindern gegeben". Ja, er hat den glaubenden Menschen mehr gegeben, so dass der Liederdichter Nikolaus Herman fröhlich singen kann: "Lobt Gott, ihr Christen alle gleich, in seinem höchsten Thron, der heut schließt auf sein Himmelreich und schenkt uns seinen Sohn und schenkt uns seinen Sohn."

Verständlich, dass Liederdichter und Komponisten dieses Wunder von Weihnachten besungen haben. Johann Sebastian Bach hat in der Kantate II "Am zweiten Weihnanchtsfeiertage" des Weihnachtsoratoriums das Wunder der Weihnacht so ausgedrückt. "Brich an, o schönes Morgenlicht,/ und laßt den Himmel tagen!/ Du Hirtenvolk, erschrecke nicht,/ weil dir die Engel sagen,/ daß dieses schwache Knäbelein/ soll unser Trost und Freude sein,/ dazu den Satan zwingen/ und letzlich Frieden bringen." Die Botschaft von Weihnachten ist, Gott bringt in dem Kind Jesus den Frieden in die Welt und zwingt das Böse. Gott ist an Weihnachten als Befreier erschienen.

Das Weihnachtswunder, in dem sich Himmel und Erde berühren, wird deutlich in der Ikonenwand jeder orthodoxen Kirchen den Gläubigen vor Augen gestellt. Jesus, Maria, Johannes der Täufer und die Heiligen blicken auf die Betenden und wollen sie in der Welt stärken, dass trotz aller Not und Bosheit bereits der Himmel in die Welt hereinreicht und auf die endgültige Zukunftshoffnung, den Himmel Gottes hinweist. Menschen haben mit dieser Botschaft ihre Erfahrungen gemacht.

Dieses Glaubensweltbild von der Verbindung zwischen Himmel und Erde will immer wieder Glaubenden helfen mit Mut und Hoffnung diese Welt zu bejahen. Der Glaube lebt aus dem Wissen, Gott hat die Welt erschaffen und regiert sie. Es ist das Wissen, Gott achtet die Freiheit seiner Geschöpfe und gibt ihnen Raum, zu wollen und sich zu entscheiden. Von Gottes Zusage an Weihnachten gewinnt menschliches Leben Sinn und Zukunft.

Trotz des Wissens, dass Gott sich Weihnachten der Welt zugewandt hat, herrschen weiter Not, Krankheit, Angst, Unfriede, Krieg und Verfolgung. Diese Erkenntnis sollte uns Gläubige nicht erschrecken oder lähmen oder unsere Hoffnung angesichts der Katastrophenmeldungen sinken lassen. Es ist nun einmal so in der Geschichte, dass manche Menschen anscheinend Gottes Angebot von Weihnachten und dem Frieden nicht annehmen wollen. Sie öffnen sich nicht der Liebe Gottes, wie sie zu den Hirten durch die Engel ausgesprochen wurde. Dennoch hat die Botschaft Gottes an die Menschen ihre Wirkgeschichte. Menschen haben sich durch Gottes Wort ergriffen gefühlt und seine Einladung zum Mitmachen in seinem Reich hier auf Erden angenommen. Seitdem haben sich Mensch und Welt verändert. Es ist trotz Not, Krankheit und Krieg menschlicher und freundlicher geworden. Der Satan ist gefangen, wie es in den Weihnachtsliedern heißt.

Die ersten Erfahrungen mit der Weihnachtsbotschaft und mit dem Menschensohn Jesus haben die Jünger und die ersten Glaubenden gemacht. Ihre Erfahrungen haben sie für die nachfolgenden Generationen aufgeschrieben. Die Jüngergemeinde in Jerusalem hat aus Gottes Liebe gelebt. Sie wusste, dass mit dem offenen Himmel und dem sichtbaren Zeichen der Geburt Jesu für die Welt eine neue Zukunft angebrochen ist. Ihre Begeisterung für Jesus hat sie durch die Verkündigung der frohen Botschaft an ihre Mitmenschen weitergegeben. Sie taten es aus ihrer Erfahrung mit Jesus, der ihr Leben und ihre Einstellung zur Welt offener gemacht hat. Sie sprachen von ihrer Hoffnung und zeigten sie durch ihre Verantwortung für ihre Mitmenschen.

Die Gemeinde der Gläubigen wurde groß, so dass die Apostel Jesus neben der Wortverkündigung nicht mehr die Versorgung der Armen ausführen konnten. Es gab Klagen über die Vernachlässigung der Armen, Witwen und Waisen. Aus diesem Grund suchten sie aus der Gemeinde Männer mit einem guten Ruf, mit einem festen Charakter und Verantwortungsbewusstsein, die in der Gemeinde mithelfen sollten. Es wurden sieben Männer nach den sieben Werken der Barmherzigkeit ausgewählt und öffentlich in ihr Amt durch die Apostel eingesetzt. Jeder wusste, wer sie waren und was sie zu tun hatten. So wurde das Diakonenamt in der Gemeinde eingeführt. Neben der Wortverkündigung sollte es vor allem die praktische Hilfe wie Versorgung, Armenspeisung, Krankenpflege und der Tischdienst beim Abendmahl sein. Aus dem Geist des Evangeliums wirkten die Diakone und halfen Menschen zur selbständigen Lebensgestaltung. Sie setzten Jesus Beispiel von Wort und Tat im Alltagsleben der Gemeinde um.

Stephanus hatte sich in sein Diakonenamt voll und ganz eingebracht, weil er wusste, dass mit Jesus der Himmel auf die Erde gekommen ist. Für ihn gab es keine Trennung zwischen Himmel und Erde. Stephanus sah alles von Gott dem Schöpfer, von Jeus dem Erlöser und dem Heiligen Geist her. Mit Jesus Kommen war für ihn das Reich Gottes in der Welt bereits Wirklichkeit geworden. Der geöffnete Himmel war sein Leitstern im Glauben, Leben und Handeln in der Gemeinde. Trotz der Fülle der Aufgaben schöpfte er seine Kraft und seinen Mut aus den Glauben an seinen Herrn Jesus Christus.

Durch seine Predigten von Jesus kam er mit den Juden aus der Welt, die in Jerusalem lebten, ins Gespräch. Glaubensgespräche sind keine leichten Gespräche; denn es geht in ihnen um die Wahrheit. Es ist nun einmal so, dass der Inhalt des Glaubens die Wahrheit für den Menschen ist. Weil Stephnaus in seiner Glaubensbotschaft nicht mit Worten der jüdischen Tradition zu widerlegen war, wurden falsche Zeugen gegen ihn aufgeboten, die ihn beim Volk, den Ratsmitglieder und den Gesetzeslehrern anzeigten. Er störte nach ihrer Meinung ihr Verständnis von Gott, von ihrer Glaubenstradition, von ihrer Gebotspraxis und von ihrem Tempel. Sie wollten die Botschaft von Gottes offenen Himmel in Jesus nicht anerkennen. Sie wollten Gottes Größe wegen ihrer Glaubenstradition nicht begreifen.

Die Anklage gegen Stephanus verlief wie die gegen Jesus vor dem Hohenrat. Es waren die selben Anschuldigungen und sie wiederholen sich immer wieder in der Geschichte. Stehpanus wurde vorgehalten, er lästere Gott, missachte die Gebote und mache Jesus groß. Ja, Stephanus hatte wie Jesus gepredigt: "Gott ist größer als ihr glaubt". Er hatte Jesu Worte zu der Samariterin im Gespräch am Jakobsbrunnen seinen Zuhörern ausgelegt. Doch für die anklagenden Juden konnte Gott nicht anders sein als er in ihrer Tradition überliefert wurde.

Vor dem Hohenrat war Stephanus mutig und auch geistgegenwärtig gegen die falschen Anschuldigungen von seiner Glaubenshoffnung und von seinem offenen Himmel, der sich über der Erde aufgetan hatte, zu sprechen. In seiner Rede hat er Gott gegenüber den menschlichen Vorstellungen groß gemacht. Gott wohnt nicht in einem Haus, auch nicht in einem Tempel. Er wohnt, wie es der Prophet Jesaja bildlich ausdrückte: "Der Himmel ist mein Thron, die Erde mein Fußschemel. Was für ein Haus wollt ihr da für mich bauen? Wo ist Wohnung, in der ich Raum finden könnte? Habe ich nicht mit meiner Hand Himmel und Erde geschaffen." Stephanus widerlegt die jüdische Gottesvorstellung mit den Worten des Propheten. Gott ist größer als der Tempel. Sein ist der Himmel und die Erde. Stephanus sprach im Geiste Jesus von der Größe Gottes. Ja, Stephanus war mutig genug dem jüdischen Rat vorzuwerfen, dass sie nicht die ihnen von Gott gegebenen Gebote befolgten. Sie lebten nicht aus dem Geist der Gebote. Das wollte der jüdische Rat nicht wahrhaben. Deshalb gerieten sie über Stephanus in Wut und stießen ihn vor die Stadt zur Steinigung.

Stephanus sprach von dem Glauben, der von der Größe Gottes lebt, wie ihn Jesus Botschaft bezeugte. Er betonte die Gebote, dass sie Gott Liebe sind und den Menschen helfen möchten, ihre Worte und Taten an ihnen auszurichten. Stephanus bekannte mit den Worten seinen Glauben: "Ich sehe den Himmel offen, und an der rechten Seite Gottes steht der Menschensohn." Dieses Bekenntnis stand diametral zur jüdischen Gottesvorstellung. Deshalb wurde Stephanus wegen Gotteslästerung verurteilt und gesteinigt. Er blieb auch angesichts des Todes seinem Glauben treu und betete: "Herr Jesus, nimm meinen Geist auf". Auch für seine Feinde betete er: "Herr strafe sie nicht für diese Schuld!" Stephanus überließ alles der Größe und Liebe Gottes. Er war der erste Glaubenszeuge für Jesus Christus. Es ist gut an Weihnachten daran zu erinnern. Denn mit der Weihnachtsbotschaft ist noch nicht endgültig der Satan besiegt. Es gilt imGeistes Jesu weiterzuarbeiten.

Damals gab es Menschen wie auch heute, die diese Weihnachtsbotschaft nicht ernstnehmen wollten. Damals wie heute sind es die Frommen, die nicht neu Gott erkennen wollen, wie Jesus ihn gelehrt hat. Sie tun sich schwer, ihre Tradition auf ihren ursprünglichen Sinn zu überdenken. Denn dann würden sie wissen und erkennen, dass Jesus den wahren Gottesglauben aufgezeigt hat. Eigenartig, dass gelehrte Fromme zu Verfolgern der Botschaft Jesus gehören. Sie wollen nicht hinhören. Ganz offen spricht die Bibel von einen solchen, der bei der Steinigung Stephanus zu sah und den Namen Saulus hatte. Er hatte als Verfolger der Gemeinde Jesu später seine Bekehrung erlebt und wurde dann ihr größter Diener und Lehrer Jesus. Er hatte erkannt, was es heißt "Ich sehe den Himmel offen, und an der rechten Seite Gottes steht der Menschensohn". Er brachte die Weihnachtsbotschaft als neue Botschaft zu Menschen, die keine Hoffnung haben. Auch heute gilt es, diese Weihnachtsbotschaft als Hoffnung der Welt trotz Widerspruch zu bezeugen. Die Menschen brauchen eine Orientierung und auch ein Wissen, dass bereits der Himmel in die Welt gekommen ist und dass es sich lohnt mitzumachen am Bau des Reiches Gottes für die Welt.

Amen.

Lieder:

1) Gelobet seist du, Jesu Christ, dass du Mensch geboren bist ...
2) Es ist ein Ros entspungen aus einer Wurzel zart, ...
3) Lobt Gott, ihr Christen alle gleich, in seinem höchsten Thron, ...
4) Jauchzet ihr Himmel, frohlocket, ihr Engel, in Chören, ...
5) O du fröhliche, o du selige, gnadenbringnde Weihnachtszeit! ...

nach oben




Predigt zum 13. Sonntag nach Trinitatis 2. September 2007

Predigttext: Matthäus 6, 1-4:

"Gebt Acht auf eure Frömmigkeit, dass ihr sie nicht vor den Menschen übt, um von ihnen beschaut zu werden; sonst habt ihr keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel. Wenn du also Wohltat übst, so posaune nicht vor dir her, wie es die Heuchler tun in den Synagogen und auf den Gassen, dass sie von den Menschen verherrlicht werden. Amen, sich sage euch, sie haben ihren Lohn dahin. Du aber,- wenn du Wohltat übst, so soll deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut, dass deine Wohltat im Verborgenen sei. Und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir vergelten."

Vorüberlegungen zum Text:

Die Bergpredigt Jesu, Matthäus 5-7, ist seine Glaubensunterweisung an die Jüngergemeinde aus der Gottesbeziehung, die er gelehrt hat, das rechte Alltagsleben und -verhalten zu praktizieren.

Daher ist der erste Satz Matthäus 6, 1 als Überschrift der Verse 1-18 anzusehen, die die Praxis der Frömmigkeit: Helfen, Beten, Fasten verhandeln. Dr. Martin Luther hat das Wort "Dikaiosyne" des Urtextes mit "Frömmigkeit" übersetzt, obwohl es mit "Gerechtigkeit" wiederzugeben ist. Die Lutherübersetzung meint mit der Übersetzung des Wortes "dikaiosynä" mit Frömmigkeit inhaltlich die praktische Glaubenshaltung, die sich in der Praxis als Rechtschaffenheit zeigt.

Matthäus 6, 1-4 überdenkt von der Frömmigkeit her die Glaubenspraxis am praktischen Beispiel des sozialen Zusammenlebens von Reichen und Armen, von Geben und Helfen. Zwischen Glauben und Handeln besteht im alltäglichen Zusammenleben eine Wechselbeziehung.

Literarisch gesehen haben die drei Unterweisungen Jesu über Wohltat, Beten und Fasten, Matthäus 6, 1-18 einen immerwiederkehrenden Kehrreim: "sie haben ihren Lohn dahin" (Verse: 2.5. 16) und "dein Vater, der ins Verborgene sieht, wird dir vergelten" (Verse 4.6.18). Damit wird der Gegensatz von menschlicher Erwartungshaltung und göttlichem Handeln herausgestellt.

Jesus betrachtet das Helfen als sozial wichtige und notwendige Aufgabe unter dem Thema "Gerechtigkeit", die aus der Frömmigkeit hervorgeht. Gerechtigkeit ist ein Gottesbegriff, der im Alten Testament mit "Zedaka" beschrieben wird und im Neuen Testament inhaltlich vom Doppelgebot der Liebe Matthäus 22, 37 ff. gefüllt ist. Die menschliche "Gerechtigkeit" des Glaubenden möge sich als Rechtschaffenheit wie Matthäus 5, 6 und 20 erweisen. Sie erscheint Jesus als etwas Lebendiges und geschieht nicht um des Gesetzes willen, sondern um des Lebens willen und spiegelt Gottes Gerechtigkeit gegenüber dem Menschen wider.

Die Werke Helfen, Beten und Fasten gefallen Gott wohl, wenn sie im rechten Bezug auf ihn und den Mitmenschen geübt werden. Das griechische Wort "eleämosynä" (=Wohltat) meint mehr als Almosen. Es umfasst alle Wohltaten, die dem anderen dienen sollen. Im griechischen Wort steckt das Stammwort "Mitleid". Es ist positiv und aktiv zu verstehen. Es unterstreicht den Sinn der Gabe, dem Anderen zur Selbsthilfe helfen. Der Sinn von Gerechtigkeit und Wohltat meint "den Nächsten lieben wie sich selbst". Liebe ist konkret.

Aus diesem Grund verwirft Jesus die Prahlerei der Spender als Selbstdarstellung. Sie erscheinen ihm als Heuchler. Mit diesem Wort deckt Jesus den Widerspruch im Geber auf. Die Liebe verträgt sich nicht mit Selbstlob und dem Sich-Rühmen lassen. Deshalb soll seine Jüngergemeinde anders handeln als die der Synagoge. Ihr Tun soll aus der Gottesliebe im Sinne des 1. Johannesbriefes geschehen.

Jesus schließt den Lohn nicht aus. Er akzentuiert ihn von Gott her, "der in das Verborgene sieht". Nach dem alles "sub specie aeternitatis" geschieht, wird der Gebende von Gott im Endgericht nach Matthäus 25, 34ff. belohnt (=vergolten). Nach Jesu Worten kann der Wohltäter keinen irdischen Ausgleich empfangen, sondern Gottes Anerkennung im Endgericht. Der Lohn ist die Güte Gottes nach Matthäus 20,15. Jeder menschliche Anspruch auf Lohn gegenüber Gott ist daher ausgeschlossen, vgl. Lukas 17,7-10. Jesus verlangt das Gute um seiner selbst willen zu tun, um so den Sinn und Inhalt des eigenen Lebens zu gewinnen. Die Gerechtigkeit und die Wohltat (= guten Werken) mögen um Gott und um seiner Ehre willen geschehen. Die von Jesus kritisierte Wohltäterfrömmigkeit und deren Heuchelei suchen nicht Gott, sondern sich selbst.

Im Bezug auf Gott gibt der Glaubende dem Nächsten ab, was er von Gott empfangen hat. Die Liebe weiß dies und sieht von der Eigenliebe ab. Jesus ruft zur Solidarität: "Seid beharrlich in der Liebe."

Von daher ist auch der Rätselspruch "soll deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut" verständlich. Es lohnt sich zum besseren Verständnis dieses Sprichwortes die Übersetzung aus "Die Bibel in heutigem Deutsch" herzunehmen: "Wenn du also jemand hilfst, dann tu es so unauffällig, dass nicht einmal dein bester Freund etwas davon erfährt." Gemeint ist das freiwillige selbstlose Geben. Die Gottesbeziehung gibt dem Glaubenden als erneuertem Menschen das Selbstbewusstsein, frei ohne Eigennutz und Ruhmsucht gegenüber seinen Mitmenschen zu handeln.

Jesus verweist seine Jüngergemeinde auf den neuen Geist der Gottesliebe, die im Gegensatz zu Prahlerei und Selbstlob steht vgl. Römer 3,27. Aus der rechten Gottesbeziehung geschieht die rechte soziale Lebensgestaltung.

Predigt:

Liebe Gemeinde,

wie halten wir es als Christen mit unserer Frömmigkeit und unserem offenen Geldbeutel? Jesus hat ganz offen mit seiner Jüngergemeinde darüber gesprochen. Er spricht auch mit uns darüber. Anschaulich verweist er auf das falsche Verhalten des Sich-Rühmens der Frömmigkeit und der Spenden am Beispiel der Mitglieder der Synagogengemeinde. Dieses ruhmsüchtige Verhalten belastet und zerstört die Gemeinschaft. Seine Jüngergemeinde soll sich anders verhalten.

Wie Jesus dies gemeint hat, fasst er zusammen in dem Sprichwort: "so soll deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut". Wir hören oft diese Redewendung in verschiedenen Situationen. So wenn es um Geldgeschäfte und ihre dubiose Praxis geht. Manche meinen mit diesem Sprichwort werde im Handel der eigene Vorteil umschrieben. Manche benennen mit der Redewendung "Er weiß nicht, wo rechts und links ist" einen orientierungslosen Menschen ohne Standpunkt und ohne klare Meinung in seinem Leben wie auch in der Gesellschaft. Die Redewendungen haben den Kern der Sache schon getroffen. Gemeint ist das recht Verhalten unter uns Menschen im Alltagsleben. Wie soll es geschehen?

In diesem Zusammenhang habe ich eine interessante Übersetzung des Wortes Jesu "so soll deine Linke nicht wissen, was deine Rechte tut" gefunden, die schlicht und einfach ausdrückt: "Wenn du also jemand hilfst, dann tu es so unauffällig, dass nicht einmal dein bester Freund etwas davon erfährt." Mit dieser Deutung des Sprichwortes ist das Taktgefühl und das Schamgefühl im zwischenmenschlichen Geben angesprochen. Es ist schon beschämend zu betteln. Jeder kann sich vorstellen, wie kränkend es wirkt von oben herab mit einer Geldgabe bedacht zu werden.

Mit dem Geben an Arme hat es so seine Bewandtnis; denn es drückt den sozialen Unterschied aus. Derjenige, der gibt fühlt, sich dem Anderen überlegen. Der Empfangende weiß dies. Deshalb hat das Wort Almosengeben einen negativen Klang. Aus diesem Grund wurde viel über das Geben an die Armen nachgedacht. Bereits der schottische Philosoph Adam Smith des 18. Jahrhunderts hat über die Schicklichkeit der menschlichen Handlungen geschrieben. Er meint wie selbstsüchtig auch immer der Mensch eingeschätzt werden mag, so liegen doch offensichtlich bestimmte Grundveranlagungen in seiner Natur, die ihn am Schicksal anderer Anteil nehmen lassen. "Mitleid oder Erbamen sind von dieser Art: die Gemütsbewegung nämlich, die wir für das Elend anderer empfinden,..." Smith hat richtig beobachtet, dass der Mensch Mitleid oder Erbarmen mit den Elenden empfindet und daher bereit ist, seinen Geldbeutel zu öffnen. Diese gute menschliche Einstellung aber kann sich immer wieder ins Gegenteil verkehren. Der Mensch ist eitel und ruhmsüchtig und möchte daher sich als der Wohltäter herausstellen. Er will Aufmerksamkeit erlangen. Daher werden heute die Stiftungen nach den großen Geldgebern benannt.

Uns Menschen fehlt manchmal freiwilliges Geben, um des Gebens willen. Uns mangelt des Öfteren die Einstellung zur selbstlosen Liebe. Menschliches Handeln ist mehr vom Egoismus und von dem Zweck- und Nutzdenken bestimmt als von der Liebe.

Wir dürfen unsere Gesellschaft nicht schlecht reden. Trotz allem herrscht selbstlose Liebe in der Gesellschaft vor und trägt sie. Nur wir merken oder beachten dies nicht. Es ist diese praktische Liebe der Mütter und Väter zu ihren Kindern und zueinander. Manchmal wird diesem verantwortlichen und fürsorglichen Tun gedankt und manchmal wiederum nicht. Erst die selbstlose Liebe macht das Leben angenehm und erträglich.

Liebe drückt sich im Tun und Reden aus. Sie sieht den Mitmenschen. Sie kann nicht erzwungen und auch nicht anbefohlen werden. Liebe geschieht. Doch wir in unserer schnelllebigen Medienwelt werden von einem Ereignis zum nächsten getrieben und bemerken dies nicht. Wir vergessen, was vor kurzem passiert ist. Wir sind oberflächlich geworden.

Daher bedürfen wir der Informationen und der Hinweise. Es ist gut, dass wir durch Zettel in unseren Briefkästen auf die Armut in unserer Gesellschaft hingewiesen und zum Spenden aufgefordert werden. Bei großen Hungersnöten und Naturkatastrophen in der Welt rufen sogar die Medien zum Spenden auf, um möglichst schnell und effektiv zu helfen. Es wird reichlich gespendet und die hohen Spendenergebnisse werden bekannt gegeben. Der Spendenaufruf der Süddeutschen Zeitung im Advent für Weihnachten erbringt jährlich ca. sechs Millionen Euro. Dies ist gut so und wir sind stolz. Doch dieser Stolz kann blind machen.

Wir brauchen heute, wie schon Jesus richtig angemahnt hat, den solidarischen Menschen, der den notleidenden Anderen in der Gemeinschaft sieht. Leider hat sich in unserer großen Gesellschaft das Denken eingeschlichen, der Andere macht es schon. Gegenüber der gewünschten Solidarität zeigt sich der Individualismus in der Gemeinschaft. Es wird mehr vom Einzelnen, vom Individualisten, vom Single-Menschen, vom Karrieremenschen, vom Profi usw. gesprochen, die sich allein hochgearbeitet und dabei manchmal sich und ihr soziales Umfeld übersehen haben. Ja, unsere Zeit kennt nur diejenigen, "die im Lichte stehen, und die im Dunkeln sieht man nicht".

In unserer blühenden Wirtschaftsgesellschaft, so in der Millionenstadt München, leben aber ca. hunderttausend Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Die Zeitungen und die Diakonie verweisen, auf die sich weitende Schere zwischen arm und reich. Damit ist der soziale Friede in unserem Land bedroht. Gerechtigkeit ist gefordert und nicht Almosen. Wir haben auch in unserem Sprachgebrauch genaue Worte für die soziale Sachlage zu verwenden. "Almosen-Geben" hat einen negativen Klang trotz des guten Willens. Keiner benötigt heute Almosen, sondern einen Arbeitsplatz oder eine Starthilfe zur Ermöglichung eines eigenständigen Lebens. Auf dem Kirchentag zu Köln 2007 hat der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu öffentlich gerufen: "Ich bin Afrikaner! Ich brauche keine Almosen!" Damit hat er die rechte Beziehung zwischen reichen und armen Ländern in der Wirtschaftshilfe angemahnt. Selbst der Kirchentagspräsident, Reinhard Höppner, meinte, dass Globalisierung kein Schicksal ist, "sondern eine Gestaltungsaufgabe". Er verwies auf Jesus Reden und Handeln, der die Menschen am Rande der Gesellschaft in die Mitte geholt hat und die Politik müsse dies auch tun. Es gilt nach Jesus Worten und Tun, die außenstehenden Menschen in die Gemeinschaft einzugemeinden. Die Hilfe soll konkret und effektiv sein. In jedem Menschen steckt das Recht auf Würde, das Recht ordentlich behandelt zu werden. Er benötigt die Hilfe, um mit ihr seine eigenen Fähigkeiten zum Lebensunterhalt zu entwickeln. Keiner will dem Anderen zur Last werden. Wir benötigen heute Menschen, die andere zum Selbständigwerden anleiten können.

Jesus Aufruf an seine Jüngergemeinde gilt heute und immer: "Gebt auf eure Gerechtigkeit Acht". Ja, sein Sprachgebrauch ist modern. Er verlangt keine Almosen, sondern Gerechtigkeit im sozialen Zusammenleben der Menschen. Damit ist unsere Einstellung zum Mitmenschen angesprochen. Jesus Liebe zum Menschen und seine Hilfe für ihn waren aufbauender Art. Er hat Menschen gesund gemacht und ihnen im Gespräch geholfen, damit sie wieder selbständig ihr Leben führen können. Gerechtigkeit, mit der Jesus seine Jüngergemeinde zum Helfen aufruft, wird noch konkreter durch Wohltat ergänzt und meint seine Liebe und Achtung gegenüber dem Mitmenschen. Gerechtigkeit lädt zu dem rechten Wechselverhältnis zwischen mir und dem Anderen ein. Sie ist nicht Einseitigkeit, sondern schließt ein, dass der Geber und der Empfänger gemeinsam etwas tun. Nur in der rechten Absprache untereinander können Spenden helfen, kann das Geld richtig eingesetzt werden.

Der amerikanische Philosoph John Rawls gesteht offen, dass das Wort "Gerechtigkeit" zum Schlüsselwort der westlichen Industriegesellschaft geworden ist. Es ist der Maßstab für Ordnung in der Gemeinschaft und in der Weltwirtschaft. Mit diesem Wort "Gerechtigkeit" soll die wirtschaftliche Ungerechtigkeit in der Gesellschaft wie auch unter den Nationen überwunden werden. Die politischen Konferenzen, so G 8 Gipfel in Heiligendamm Juni 2007, sprachen über Gerechtigkeit und machten sich Gedanken wie die Industrienationen sich gegenüber den armen Ländern verhalten sollen. Angesichts der Armutsgebiete auf der Erde sind sie bereit, Gelder in Milliardenhöhe frei zu machen, um die Hungersnot zu lindern und um Aufbauhilfe zu leisten. Doch es werden Menschen benötigt, die diese Hilfe zur Selbsthilfe umsetzen. Wir können nicht mit Geld Not lindern, sondern nur durch tätige Menschen und durch brauchbare Zusammenarbeit.

Jesus ruft mit dem Wort "Gebt Acht auf eure Gerechtigkeit" seine Jüngergemeinde zur Solidarität auf. Er meint damit: "Seid beharrlich in der Liebe". Jesus setzt auf die Liebe, weil Gott den Menschen liebt. Aus dieser Erkenntnis erwuchs Jesus Reden und Tun. In diesem Sinne mögen auch die Glaubenden in ihrer Frömmigkeit handeln. Das Verstehen der Gottesliebe bringt die rechte Einstellung gegenüber den notleidenden Menschen. Die Liebe sieht, wie dem Menschen geholfen werden kann, dass er wieder eigenständig ein Leben ohne Abhängigkeit führen kann. Ein anschauliches Beispiel geben Sozialarbeiter durch ihre Fürsorge für Drogenjugendliche.

Das Tun und Reden aus Liebe steht gegen die Prahlsucht. Jesus ist nicht gegen ein gesundes Selbstbewusstsein, sondern gegen die Prahlsucht, die dem Egoismus entspringt. Aus diesem Grund führt Jesus das Verhalten der Mitglieder der Synagogengemeinde als ein negatives Beispiel an. So soll es bei euch nicht sein, dass sich die Spender und Wohltäter mit Posaunen auf der Straße und vor der Synagoge feiern lassen. Es wäre falsch, wenn es die reichen Länder der Welt ähnlich täten. Denn diesen prahlsüchtigen Spendern geht es nicht um die Armen, sondern um sich selbst. Sie wollen berühmt sein und haben nicht die Absicht die soziale Ungerechtigkeit abzuändern. Ja, sie wollen sich auf Kosten der Armen feiern lassen. Jesus sagt klipp und klar: "sie haben ihren Lohn schon kassiert."

Gewiss es ist nun mal so, dass jeder für seine Taten belohnt werden will. Deshalb gilt es über die Belohnung nachzudenken. Menschliches Zusammenleben wird von dem alten Gesetz "des Gebens und Nehmens" bestimmt. Es regelt auch heute noch unser Wirtschaftsleben. Jesus hat dieses Gesetz belassen. Nur fordert er von seiner Jüngergemeinde eine neue Einstellung im Umgang mit den Spenden und mit dem Reichtum. Er erinnert sie, von ihrer Gottesbeziehung, von ihrer Frömmigkeit, auch über den Reichtum und das Spenden nachzudenken. Selbstverständlich kann ein jeder sagen: "Ich habe mir Reichtum aufgebaut". Überlegen wir einmal ganz genau: "Ist uns nicht die Möglichkeit zum Reichtum geschenkt worden?" In einem jeden stecken Gaben und Begabungen, mit denen er etwas anfangen kann. Derjenige, dem es gelingt, Reichtum aufzubauen, ist eigentlich beschenkt worden. Er kann ihn nicht für sich behalten. Aus diesem Grund hat Jesus den reichen Kornbauer gescholten, der sich seines Reichtums lobte und damit auf seinen Geiz stolz war. Es fehlte ihm die Liebe mit seinem Reichtum im gesellschaftlichen Leben zu wirken. Er übersah in seinem Egoismus, dass ihn die Liebe mit seinen Mitmenschen verbindet.

Jesus hat den Lohngedanken nicht ausgeschaltet, sondern ihn neu bestimmt. Er hat uns Menschen klar gesagt, dass wir uns keinen Lohn vor Gott erkaufen und erwerben können. Die ruhmsüchtigen Frommen und Spender haben zwar so gedacht, weil sie wegen ihres Egoismus außer Acht gelassen haben, dass sie alles von Gott bekommen haben. Gott ist der Geber. Dr. Martin Luther hat dies bei seinem Bibelstudium erkannt. Er hat die Botschaft Jesus richtig verstanden: "Wir glaubende Menschen sind von Gott beschenkt". Luther sah den Gottesglauben als den Motor der Lebensgestaltung. Angesehene Frömmigkeit ist nicht um ihrer selbst willen da und auch nicht, um mit ihr anzugeben. Gottesglaube lässt erkennen, der Mensch darf mit den von Gott geschenkten Gaben arbeiten. Frömmigkeit und Handeln gehören zusammen. Deshalb dürfen wir von unserem Reichtum denjenigen geben, die es nicht geschaffen haben und sie in ihrer Eigenständigkeit fördern. So sind auch unsere Spenden zu sehen, wenn wir schon nicht selbst helfen können. Dann wollen wir doch ehrlich gesagt durch die zuständigen Organisationen unsere Hilfe verwirklicht wissen.

Jesus fordert von seinen Jüngern aufgrund ihrer Gottesbeziehung das Gute um seiner selbst willen aus Liebe ohne Rücksicht auf Lohn zu tun. Denn die Liebe setzt auf Hoffnung. Wer so denkt und handelt, der hat die Bestimmung und den wahren Inhalt seines Lebens gefunden. Nicht aufgrund eines Lohns etwas zu tun, etwa um der Glückseligkeit willen oder um des ewigen Lebens, sondern schlicht und einfach um seiner selbst willen, weil die gute Tat gewollt ist und gebraucht wird. Manche Kirchengemeinden haben Partnerschaftsbeziehungen mit afrikanischen Gemeinden. Sie tauschen sich aus und unterstützen deren Projekte. Ihre Freundschaft setzt auf Hoffnung für ein menschliches Leben in der Welt. Auf diese Weise wird Jesus Botschaft konkret.

Diese Erkenntnis befreit von allem Zwanghaften und Eitlen. Sobald aber Gott und sein ewiges Leben so gesucht und praktiziert wird, dass sie nur Mittel zum Zweck unseres eigenen Lebens werden, gilt Jesu Wort: "Ihr habt euren Lohn dahin." Jesus lädt zum Geben um des Gebens willen aus Liebe ein. Aus dem Glaubenswissen, dass uns alles von Gott geschenkt ist, gewinnen wir den Lebenssinn und die Kraft, das menschliche Zusammenleben freundlicher zu gestalten. Wir wissen es ja selbst, dass der Gebende auch etwas zurückbekommt, an Freude und Anerkennung.

Jesus wünscht sich von seinen Jüngern und uns Glaubenden, dass sie von ihm lernen, in Gott die Mitte ihres Lebens zu sehen, die Mut zum menschlichen Zusammenleben macht. Jesus überfordert keinen. Er fordert von Gott her die rechte Einstellung zu unserem Tun. Gott ist der Geber, wie Dr. Martin Luther es in seiner Auslegung zum ersten Glaubens-Artikel ausgedrückt hat. Von Gottes Liebe her können wir Menschen Gerechtigkeit im menschlichen Zusammenleben und in der Umwelt zu seiner und des Menschen Ehre umsetzen.

Wir Christen sind keine Utopisten. Wir wissen um das Böse in der Welt. Doch wir haben eine Hoffnung, dass wir eines Tages in einer globalen Zivilisation leben werden können, die mehr oder weniger ausschließlich unter dem Gebot der Gottesliebe und der Gerechtigkeit steht. Amen.

Lieder:

EKD: Nr. 455: Morgenlicht leuchtet...
EKD: Nr. 502: Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit...
EKD: Nr. 408: Meinem Gott gehört die Welt...
EKD: Nr. 395: Vertraut den neunen Wegen, auf die...

nach oben




Predigt zum 1. Sonntag nach Trinitatis, 10. Juni 2007 - Predigttext: Matthäus 9, 35-38

Vorbemerkung:

Der Textabschnitt: Matthäus 9, 35-12,50 betrifft die Indienstnahme der Jünger durch Jesus. Die Verse des Kapitels 9, 35-38 beschreiben das Wirkfeld der Predigt Jesu und sind ein Vorbereitungsbericht zur Jüngeraussendung Matthäus 10, 1ff.

Jesus lehrt und predigt in Synagogen das Evangelium des Königreichs Gottes (=euanggelion täs basileias). Er offenbart den Menschen die Königsherrschaft Gottes als eine neue Welt, als Gegenwelt zur irdischen Welt. Sie ist bereits mit seiner Person angebrochen, wie Matthäus 4 zeigt.

Jesus sieht die Not des ganzen Menschen, seine Krankheiten, wie auch seine seelische Not. Dem Mitleid mit seinen Zeitgenossen, die hilflos und verängstigt erscheinen, setzt er die Botschaft des Reiches Gottes entgegen.

Jesus übernimmt die Rolle des Hirten. Er sorgt sich wie ein Hirte um das Wohlergehen seiner Zuhörerschaft. Das Bild des Hirten ist seit altersher ein politisches für den König und Herrscher.

Jesus Hirtenrolle wird nicht von der Herrschermacht geprägt, sondern von der Sorge um den Menschen, die "einen Hirten" zur Lebensgestaltung und Lebensorientierung benötigen.

Weil er nicht alles allein tun kann, ruft er Menschen in seinen Dienst. Er beschreibt seinen Jüngern ihre Aufgabe mit dem Bild aus dem Agrarbereich: Ernte und Erntearbeiter.

Das Wort "derismos" (= ernten) ist ein Tätigkeitsnomen und meint nicht das Geerntete, sondern das ganze Geschehen der Ernten angefangen von der Aussaat bis zum Einbringen der Ernte.

Rechte Arbeit kann nur durch das Gebet gelingen. Daher fordert Jesus seine Jünger auf, Gott zu bitten, dass er Arbeiter sende.

Der Predigttext spricht immer gegenwärtig und trifft auch unsere Moderne. Der autonome Mensch seit der Aufklärung erkennt, dass er sich nicht selbst zur Vollkommenheit erziehen kann, wie noch Lessing meinte. Der moderne Mensch merkt, dass ihm die Antwort auf die letzten Lebensfragen fehlt. Zur Hilfe kommt ihm die Offenbarung der Transzendenz durch Jesus, die ihm einen neuen Blick auf sein Leben zeigt und ihm zu seiner Ganzheit verhelfen will. Dem religiösen Bedürfnis angesichts der materiellen Übersättigung ist das Evangelium vom Reich Gottes zu verkündigen als Lebensbotschaft. Die Immanenz bedarf der Transzendenz zum vollen Menschensein.

Mit der Trinitatiszeit beginnt die festlose Zeit des Kirchenjahres. Die Kirche als Ort der Verkündigung des Evangeliums hat dem Menschen als geistigem Wesen die geistliche Botschaft vom Reich Gottes zu bringen, die er im Alltagsleben auch praktisch leben sollen. Theologie ist eine praktische Angelegenheit.

Predigt

Predigttext: Matthäus 9, 35-38

Jesus zog durch alle Städte und Dörfer. Er lehrte in den Synagogen und verkündete die Gute Nachricht, dass Gott jetzt seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden werde. Er heilte alle Krankheiten und Leiden. Als er die vielen Menschen sah, bekam er Mitleid mit ihnen, weil sie so hilflos und verängstigt waren wie Schafe, die keinen Hirten haben. Darum sagte er zu seinen Jüngern: "Hier ist eine reiche Ernte einzubringen, aber es gibt nicht genügend Arbeiter. Bittet den Herrn, dem die Ernte gehört, dass er Arbeiter schickt, um sie einzubringen."

Liebe Gemeinde:

Nach den großen christlichen Feiertagen, Weihnachten, Ostern und Pfingsten beginnt mit der Trinitatiszeit die festlose Zeit des Kirchenjahres. Die Kirche als Ort der Verkündigung stellt die Wirkgeschichte des Evangeliums vom Reich Gottes in den Mittelpunkt des Glaubenslebens. Sie möchte die Kraft der Botschaft Jesus als Geschenk der Freundlichkeit Gottes allen Menschen zusprechen. Der Geist der Worte Jesus will mit uns modernen Menschen über Sünde, Gnade und Erlösung unseres Lebens sprechen. Das Evangelium vom Reich Gottes begegnet uns als Wahrheit für unser Leben. Ja, es will, dass Glaubende Gottes Barmherzigkeit als bestimmende Kraft im Alltagsleben und in der Gesellschaft leben.

Wie steht es mit unserer Religiosität? Ist sie unsere lebensbestimmende Macht? Die Statistiken und die Befragungen über die Religiosität der Deutschen nennen Zahlen und sprechen von Ein Drittel Gläubige in Deutschland. Befragungen sagen wenig über die religiösen Vorstellungen aus. Darüber sprechen umso mehr die modernen Autoren in ihren Kindheitsromanen, in denen sie ihre Entwicklungsgeschichte mit ihren Begegnungen in der Schule und der Kirche erzählen. Es sind Bekenntnisgeschichten.

Die Autoren sprechen ganz offen von ihren Problemen mit der kirchlichen Lehre, mit ihrem Glauben und mit Gott. Ja, sie stellen auch die Frage nach dem Nutzen der religiösen Unterweisungen für ihre Lebensgestaltung und Weltorientierung. Ihre Bücher werden gelesen und auf Akademietagungen besprochen und diskutiert, weil sie das religiöse Bedürfnis des Menschen aufdecken. Die Leser wie auch die Akademieteilnehmer verdeutlichen, dass der moderne Mensch an Religion und Glaubensunterweisung interessiert ist. Im Gespräch gestehen die Leser und Tagungsteilnehmer, dass sie ihre Glaubensprobleme in den Aussagen der Schriftsteller wiederfinden. Ralf Rothmann schildert in seinen Erzählungen einen Mann, der über seinen Gottesglauben spricht: "..., wenn er in einem Gottglauben mehr als nur neue, aufgeschreckte Religiosität und panische Besinnung von Verseuchten auf dem Sterbebett sehen konnte, empfand er ihn als gewaltigen Trost, als Kraft, mit der sich alles, selbst das eigene Ende bestehen ließ." Der Mann wünscht sich einen Gottesglauben, der ihm nicht nur Trost gibt angesichts der furchtbaren Kriegsnachrichten, die täglich auf ihn einstürmen, sondern auch im Blick auf sein Sterben. Der Gottesglaube soll ihm ein fester Lebensgrund werden, aus dem er Kraft zur Lebensgestaltung schöpft.

Das ist der Punkt, an dem wir mit Jesus zusammentreffen. Wir sind trotz Wohlstand unzufrieden. Wir spüren als denkende Menschen, dass uns zu unserer Lebensgestaltung und zu unserem Lebensgefühl noch etwas fehlt, dass uns ergänzen und erfüllen soll. Wir scheinen uns dies trotz unserer hochstehenden Wissenschaftlichkeit nicht selbst geben zu können. Wir sind Suchende.

Gleichen wir nicht dem Vater, den Hans-Josef Ortheil in seinem Romans "Lo und Lu. Roman eines Vaters" beschreibt, der sich Gedanken über seinen Glauben macht, um ihn seinen Kindern vermitteln zu können. Der Vater erinnert sich des Glaubensbekenntnisses und denkt: "Gott Vater, Gott Sohn, Maria und die Gemeinschaft der Heiligen - das genügt. Vor allem aber sollte ich mich auf die Reste meines eigenen Glaubens verlassen, denn wie sollte ich Lo und Lu die überzeugende Kurzfassung des Glaubens nahebringen, ohne selbst daran zu glauben? Nein, damit Lo und Lu glauben, was ich sage, muss ich selbst glauben, und ich glaube ja schließlich, ja doch, minutiös habe ich mir in den vergangenen Stunden vorgeführt, dass und wie ich glaube und ab jetzt werde ich es auch laut tun und dazu stehen, so soll es sein, Credo, Alleluja und Amen".

In diesen Gedanken des Vaters werden wichtige Glaubensfragen angesprochen: "Was glaube ich selbst? und "Wie kann ich Glaubensinhalt vermitteln?" Manchen von uns hätten Schwierigkeiten diese Fragen zu beantworten.

Jesus kennt diese Schwierigkeit und Hilflosigkeit seiner Menschen und auch unsere über den Glauben zu sprechen und aus ihm zu leben. Deshalb gibt Jesus uns Einblick in sein Denken und in seine Erfahrungen mit der Verkündigung des Evangeliums vom Reich Gottes. Er kehrt sein Innerstes nach außen und vertraut den Jüngern seine intimsten Gedanken an, über das Leben, über Gott, über den Glauben, über die Menschen und über sich selbst. Er teilt seinen Jüngern mit, was ihn umtreibt und bewegt, was ihm Sinn verleiht und seine Leidenschaft weckt, eben sein Lebensrezept, von dem er überzeugt ist.

Mit seinen Predigten, seinen Gleichnisreden und seinen Heilungen will er den suchenden Menschen Antwort auf ihre Fragen nach Gott geben. Jesus spürt, dass die Menschen ein Bedürfnis nach Gott haben, weil keiner ihnen von Gott erzählt hat, wie er ist. Sie haben nur von dem strafenden Gott gehört und nicht von Gott, dem Schöpfer Himmels und der Erden. Deshalb sind sie verängstigt und hilflos. Ihnen fehlt die Orientierung auf Gott hin als ihren Lebensgrund.

Jesus kann es, weil er Gott als seinen Vater ansieht und weil er mit ihm durch das Gebet in Verbindung steht. Er hat Gottes Größe erfahren und begriffen. Ja, Gott hat sich ihm offenbart als der Lebensgrund, als Ganzheit der Wirklichkeit, die wir mit ihren Freuden und ihren Leiden sehen. Jesus wusste, was der Apostel Paulus im Glauben erfasst hat. "Denn unser Leben wird jetzt vom Geist Gottes bestimmt und nicht mehr von unserer selbstsüchtigen Natur" (Römer 8,4) Gottes Liebe ist es, die errettet, erlöst und beschenkt. Jesus gibt Gottes Liebe an die Menschen weiter, wenn er Kranke heilt und wenn er suchenden Menschen den Grund ihres Lebens in Gott aufzeigt.

Darum mögen auch die modernen Menschen Jesus. Er erscheint ihnen konkret und glaubwürdig in seinen Reden und in seinem Umgang mit den kranken und suchenden Menschen. Er ist der Mensch unter den Menschen. Deshalb wünscht sich der moderne Mensch Jesus als seinen Gesprächspartner. Er spürt im Lesen der Evangelien von Jesus Christus Gottes Barmherzigkeit mit den Menschen.

Von Gott sprechen heißt von Gottes Wohltaten reden. Vielleicht hilft die Erklärung des griechischen Kirchenvaters Chrysostomos weiter, wenn er in einer Predigt über Gott sagt: "Wer Gott den Namen Vater gibt, bekennt allein schon durch diese Anrede auch seinen Glauben an die Vergebung der Sünde, Nachlass der Strafe, Rechtfertigung, Heiligung, Erlösung, Gotteskindschaft, Erbe und Bruderschaft mit dem Eingeborenen Sohn sowie die Gemeinschaft des Heiligen Geistes. Es ist ja nicht möglich, Gott den Namen Vater zu geben, ohne all dieser Güter, Gnadengaben, teilhaftig geworden zu sein."

Jesus hat Gott als Vater erfahren und konnte so von Gott durch Wort und Taten sprechen. Aus seiner Gottesbeziehung hat er Menschen Hoffnung gegeben und ihr Leben in den weiten Horizont Gottes gestellt. Jesus hat Menschen durch Gottes Kraft geheilt und sie so zu Mitschöpfern Gottes gemacht. Er hat Menschen ihre Schuld und ihre Belastungen durch ihre bösen Taten genommen und sie befreit zu gutem Mitwirken in der Gemeinschaft. Durch sein Reden und Tun hat sich Jesus zum Hirten seiner verängstigten und hilflosen Zeitgenossen gemacht. Er hat durch seine Sorge die Menschen selbstständig und lebensfähig gemacht. Er führt sie aus ihrem Egoismus heraus und lässt sie selbst im Glauben an Gott wirken. Jesus zeigt seinen Mitmenschen durch den Glauben an Gott neue Lebensmöglichkeiten auf.

Doch Jesus erkannt auch, dass er es nicht allein schaffen kann den Menschen zu helfen und sie im Glauben zu stärken. Ganz offen spricht er in einem Bild zu seinen Jüngern, dass die Ernte groß sei. Er ruft Jünger auf in seinem Dienst am Reich Gottes zu treten und mitzuarbeiten. Nun nicht eigenmächtig, wie es so oft übereifrige Menschen tun, sondern aus dem Gebet zu Gott. Ja, Jesus ermahnt seine Jünger: "Bittet den Herrn, dem die Ernte gehört, dass er Arbeiter schickt, um sie einzubringen." Gott gehört die Ernte.

Was die Arbeiter in Gottes Reich tun sollen, zeigt einen schönes Bild im Luther Haus zu Wittenberg. Auf ihm sind zu sehen, wie Dr. Martin Luther und Philipp Melanchthon im Weinberg als Bild für Gottes Reich die Rebenstöcke pflegen und festbinden. So sollen also Glaubende einander helfen. Darin ist jeder Christenmensch des anderen Seelsorger.

Wir Glaubende mögen als Ehrenamtliche die Glaubensbotschaft durch unser Tun und Handeln weitersagen. Um dies zu können bedarf der Glaubende des Gebets und der Glaubensgemeinschaft als Stütze und Geborgenheit. Die Kirche ist der Ort der Erbauung, an dem Gottes Wort gepredigt wird und die Sakramente gespendet werden. Die Kirche lebt als Gemeinschaft der Gläubigen möchte den Glaube stärken und auf die Fragen der Welt antworten. Zum Glauben gehören auch ein Wissen und ein Erklärenkönnen. Erst durch dieses Glaubenswissen gelingt ein fruchtbares Gespräch mit den Menschen untereinander.

Die Trinitatiszeit lädt uns ein von unserem Glauben zu sprechen und in unserm Glauben zu handeln. So bauen wir mit am Reich Gottes.

Amen

Lieder:

Lied: Morgenglanz der Ewigkeit, Licht vom unerschaffenen Lichte
Lied: Nun bitten wir den Heiligen Geist um den rechten Glauben
Lied: Ich lobe dich von ganzer Seele, dass du auf diesem Erdenkreis
Lied: Wach auf Du Geist der ersten Zeugen

nach oben




Predigt für Altjahresabend 2006 - Predigttext: Johannes 8, 31-36

gehalten am 31. Dezenber 2006

Vorbemerkung

a) Übersetzungsvergleich von Johannes 8, 31-36::

Gemeinsame Bibelübersetzung 1982: Jesus sagte zu denen, die Vertrauen zu ihm gefasst hatten: "Wenn ihr euch an mein Wort haltet, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." "Wir stammen von Abraham ab", antworteten sie ihm, "und wir haben nie jemand als Sklaven gedient. Was meinst du, wenn du sagst: "Ihr werdet frei werden?" Jesus sagte zu ihnen: "Täuscht euch nicht! Jeder, der sündigt, ist ein Sklave der Sünde. Ein Sklave gehört nicht für immer zur Familie. Nur der Sohn gehört für immer dazu. Wenn der Sohn Gottes euch frei macht, dann seid ihr wirklich frei.

Luthers Übersetzung: Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen. Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Samen, sind niemals jemandes Knechte gewesen; wie sprichst du denn: "Ihr sollt frei werden?" Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht. Der Knecht aber bleibt nicht ewiglich im Hause; der Sohn bleibt ewiglich. So euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei."

Der Vergleich beider Übersetzungen zeigt, dass Luthers am griechischen Text bleibt. Die Gemeinsame Bibelübersetzung übersetzt "Pepisteukotas" mit "Vertrauen fassen"; Luthers: mit "glauben". Gemeinsame: "zu denen"; Luthers: "zu den Juden". "Meinete" übersetzt die Gemeinsame mit: "an mein Wort haltet", Luthers: "bleiben werdet an meiner Rede". "en" betont das Verharren im Wort. "Alethos" übersetzt die Gemeinsame nicht; Luthers "Wahrlich, wahrlich". Durch die unterschiedliche Übersetzung kommt es zu einer Sinnverschiebung. Luther betont mit "bleiben an" den Glauben, während die Gemeinsame mit "halten an" eine Aktivität meint.

b) Kirchenjahreszeitlicher Standtort: Das Wort "Altjahresabend" ist aus dem deutschen Sprachgebrauch verschwunden. Es heißt heute "Silvester" in Erinnerung an den römischen Papst Silvester. Der Übergang vom 31. Dezmeber auf dem 1.Januar wird groß gefeiert. Die Böller wie auch das Feuerwerk sollen die bösen Geister vertreiben. Glückwünsche werden als Zusprüche ausgesprochen. Deshalb ist es notwendig für Christen zu betonen, wer der Herr der Geschichte ist. Jedes Jahr wird getragen im christlichen Sinne vom Herrn: "Anno Domini".

c) Theologische Textanmerkungen: Die Spannung Jesus - Juden wird durch den unterschiedlichen theologischen Standpunkt beider bestimmt. Deshalb missverstehen die Juden die Worte Jesus. Er verweist mit seinen Worten auf Gott. In Jesus Wort ist die Wahrheit. Die Juden berufen sich auf Abrahams Abstammung und sind niemandes Sklaven gewesen. Jesus unterstreicht mit seinen Worten den Zusammen von Glauben und Erkennen; Glauben und Leben und Glauben und Tun. Für Jesus besteht die Freiheit in der rechten Bindung an Gott. Diese Konsequenz übersehen die Juden. Das rechte Gottesverhältnis bestimmt die Sünde. Wer sündigt, steht außerhalb des Gottesverhältnisses, der Familie und des Hauses. Der Sohn als Botschafter des Vaters macht frei.

Predigt

Predigttext: Johannes 8, 31-36

Liebe Gemeinde,

wir stehen am Ende des alten Jahres und halten inne: Was war es gewesen? Wir ziehen Bilanz, wie es sich für einen guten Haushalter gehört. Doch bevor ein jeder nochmals in Gedanken Rückschau hält, ist mir beim Fertigen der Predigt der Schluss der Autobiografie "Der Überlebende" 2006 von Vatin Koralsky, einem Bulgaren, eingefallen. Er hinterlässt seinen Lesern folgende Botschaft: "Bevor ich abschließe, muss ich ein Geheimnis verraten. Es fiel mir schwer, die letzten Worte zu finden und merkte dabei nicht, dass ich sie im Kopf hatte:

Unglückselig sind jene, die nicht an Gott glauben.
Verdammt, diejenigen, die ihn nicht finden.
Arm sind die, welche in den Tempeln um Vergebung bitten, nur um wieder zu sündigen.

Nachdem ich ein frommer Christ war und danach ein absoluter Atheist, bin ich zu einem eindeutigen Schluss gekommen:

Wenn wir heute mit Sicherheit wissen, dass ein unglaublich kleines Atom unberechenbare Energie einschließt, warum können wir dann nicht vermuten, dass der unendliche Funke, den wir von Gott besitzen über eine unmöglich messbare Größe verfügt? Warum schauen wir nicht in uns selbst hinein, statt den Himmel nach Gott abzusuchen? Wir müssten ihn mit Sicherheit finden.

Schade, dass ich das nicht früher erkannt habe."

Wir haben eben das Glaubensbekenntnis eines 88jährigen erfolgreichen Mannes gehört, in dem er seine Lebensbilanz zieht. Er hat das 20te Jahrhundert mit seinen Schrecken als Student in Hitlers Deutschland, als Bauingenieur im kommunistischen Bulgarien und dann als Auswanderer in Argentinien erlebt und hat dennoch nicht den Lebensmut und die Hoffnung verloren. Er war als Jugendlicher ein frommer Christ und ist dann unter den diktatorischen Regierungen Atheist geworden. Doch er erkannte auch in seinen unterschiedlichen Lebenserfahrungen, dass der Glaube an Gott das Leben trägt und gewinnen lässt. Aus seinen Worten spricht kein Glaubenshochmut, wenn er diejenigen als unglückselig bezeichnet, die nicht an Gott glauben. Er spricht seine Glaubenserfahrung aus. Er teilt seinen Lesern seine Botschaft mit.

Gewiss der Glaube an Gott fällt nicht immer leicht, wenn das Leben schwer ist und wenn die eigenen Wünsche unerfüllt bleiben. Glauben und Leben hängen zusammen. Doch nicht so, wie wir es oft meinen, wenn das Leben gut ist, dann glauben wir an Gott und wenn es schlecht ist, dann sind wir Atheisten. Der Autobiograf hat diese Glaubenserfahrung auch durchgemacht. Er ist nicht verbittert. Er hat aufgrund seiner Naturerkenntnis Gottes Größe geschaut. Er wusste um die ungeheure Energie in einem Atom und warum soll dann, so sein Gedanke, Gott nicht auch eine solche ungeheure Energie im Menschen sein, der ein Geschöpf Gottes, ein Kind Gottes, ist. Deshalb bemitleidet er diejenigen, die Gott nicht finden. Sie haben das Zentrum ihres Lebens noch nicht gefunden. Glauben und Denken gehören für ihn zusammen. Das Betrachten der Natur lehrte ihn zu staunen, was Gott durch seine Schöpfung dem Menschen zeigen will. Der Blick des Autors in die Geschichte lässt ihn sich wundern, dass es mit uns Menschen noch nicht aus ist, sondern, dass wir leben dürfen. Aus dieser Betrachtung und Erkenntnis erwächst Vatin Koralsky ein Wissen um Gott als Herrn der Schöpfung und der Geschichte.

Ja, für ihn bestimmt der Gottes Glaube sein Handeln und Verhalten. Deshalb sieht er die als arm an, die aus dem lebendigen Glauben an Gott und seiner Vergebung kein neues Leben führen können, sondern weiter Böses tun. Er hat für sich erfahren, dass der Glauben an Gott das Leben zum Guten verändert. Glauben und Tun hängen für ihn zusammen. Vatin Koralsky hat mit seinem erarbeiteten Reichtum soziale Einrichtungen unterstützt und hilft weiter Sozialschwachen. Er hat selbst die Not kennen gelernt und will aufgrund seines Vermögens das Elend anderer lindern.

Ich habe jetzt vom Glaubensbekennnis eines noch heute lebenden Mannes gesprochen und mich nicht vom Predigttext des Altjahresabends entfernt. Denn Jesus spricht mit seinen Zuhörern über den Glauben und seine Konsequenzen für Leben, Denken, Erkennen und Tun. Seine Botschaft ist klar und einfach bleibet in meinem Wort. Wahrscheinlich hätte Jesus nicht diese Worte zu den Glaubenden in seiner Umgebung gesagt, wenn sie den Sinn seiner Worte begriffen hätten. Doch sie haben sie nicht recht verstanden. Im Gespräch stehen sich verschiedene Glaubensansichten gegenüber. Der Standpunkt entscheidet. Es ist wie bei einem Mensch, der durch sein Standbein und sein Spielbein fest auf den Boden stehen kann. Jesus Worte wollen ein Standbein für das Leben sein. Seine Worte sprechen von Gott, der das Leben liebt. Daher die Bitte: "bleibet in meinem Wort". Die Juden, die auch von Gott wissen, berufen sich auf die Abrahamstradition. Sie begreifen nicht, dass sich Gott in dem Wort den Menschen offenbart. Worte enthalten eine Botschaft. Worte rufen beim Hörenden Bilder und Gedanken hervor. Wer hinhört, merkt, was Worte sagen wollen. Wer dies wie Petrus begriffen hat, kann sagen: "Herr, Du hast Worte des ewigen Lebens". Worte verbinden und schaffen Gemeinschaft. Menschen sind Jesus wegen seiner Worte gefolgt, weil sie, das Leben neu sehen lehrten und zum konkreten Handeln anregten. Jesus Worte enthalten eine Lebenswahrheit. Ja, sie lassen die Geradheit des Lebens erkennen. Wer von den Zuhörern dies begriff, wurde beschenkt. Das große Geschenk Jesus ist: "Die Wahrheit wird euch frei machen". Freiheit darf nicht mit Freizügigkeit verwechselt werden, sondern meint Freiheit als Befreiung aus falschen Bindungen. Ja, für Jesus kommt die Freiheit aus der Wahrheit, die Gott ist. Damit verweist er den Glaubenden an Gott als den Mittelpunkt seines neuen Lebens und gibt ihm die neue Lebensdevise: "Seid vollkommen wie euer Vater im Himmel", was heißt: lebt und handelt nach den Geboten Gottes.

Doch es scheint, dass die Glaubenden Jesus Botschaft nicht begriffen haben; denn sie antworten aus ihrem Glaubensverständnis: "Wir stammen von Abraham ab und wir haben nie jemand als Sklaven gedient. Was meinst du, wenn du sagst: "Ihr werdet frei werden?" Es gibt einen Glaubensstolz, der nicht auf das Neue der Botschaft Jesu hören möchte. Der Glaubensstolz weiß sich in dem Besitz der Wahrheit. Der Glaubensstolz meint frei und niemandem untertan zu sein.

Doch Jesus lässt sich nicht auf eine theoretische Diskussion ein, sondern verweist auf die Lebenspraxis. Er spricht seine Zuhörer auf ihre Lebensweise und ihr Tun an. "Täuscht euch nicht. Jeder, der sündig, ist ein Sklave der Sünde." So sieht die Lebensrealität aus. Klar wird alles am Verhalten zum Bösen. Wer die Glaubensbindung an Gott verlässt, tut Böses. Er hat sich dem Bösen verschrieben und folgt ihm. Er ist außerhalb der Gemeinschaft Gottes. Er ist nicht frei, sondern handelt zwanghaft. Der Glaubensstolz verhilft nicht zum rechten Tun und Handeln. Er lässt keine Freiheit aufkommen, sondern bleibt dem Zwang verhaftet. Freisein bedeutet nicht Freizügigkeit, sondern sich entscheiden können. Ein jeder Glaubende kann dem bösen Gedanken und der bösen Handlungsweise "Nein" entgegensetzen und muss sie nicht ausführen, weil sein Standpunkt: Gott ist. Er fühlt sich als Glaubender in der Hausgemeinschaft Gottes. Er ist Sohn Gottes. Er gehört zur Familie Gottes.

Wer sündigt schließt sich nach Jesu Worten aus dieser Gemeinschaft aus. So ist die Realität. "Ein Sklave gehört nicht zur Familie. Nur der Sohn gehört immer dazu." Hiermit hat Jesus ein klares Wort über das Bleiben in seinem Wort gesagt. Sein Wort enthält Leben und macht gemeinschaftsfähig. Deshalb kann Jesus auch sagen: "Wenn der Sohn Gottes euch frei macht, dann seid ihr wirklich frei". Dieses Angebot zum Glauben ist ein Angebot zum Leben. Der Glaube an Gott verhilft zum rechten Gebrauch der Freiheit, die sich gegen das Böse ausspricht.

Vom Wort Gottes können wir daher Bilanz des vergangenen Jahres ziehen. Waren wir so frei, wie wir uns fühlten? Oder haben wir uns nicht doch einer fremden Macht übergeben und sind ihr gefolgt?" Wir können angesichts einer solchen Frage manches im Leben erkennen, was nicht so rechten Bestand hat. Ja, wir können uns auch fragen: "Haben wir aus dem Wort Gottes Kraft geschöpft, um mit Zuversicht ins Leben zu gehen? Oder haben wir uns auf unseren eigenen Stolz berufen?" Das Wort Gottes möchte mit uns das Glaubensgespräch über Gott und die Gradheit des Lebens führen, wie Jesus mit seinen Zuhörern. Auf diese Weise können wir über unser Leben und Tun nachdenken. Ich meine dies ist ein rechter Standpunkt für eine Lebensjahresbilanz.

Vielleicht werden Sie dann erkennen, dass das Bleiben in Jesu Wort einen Wert hat, das durch die Zeiten und Lebenszeit trägt und Ihnen hilft aus dem Alten ins Neue zu gehen. Jesus sagt: "Wenn ihr bleibet in meinem Wort, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen".

Amen

Lieder:

Lied: Nr. 64: Der du die Zeit in Händen hast
Lied: Nr. 59: Das alte Jahr vergangen ist
Lied: Nr. 65: Von guten Mächten treu und still umgeben

nach oben




Predigt über Markus 3, 31-35

gehalten in Bad Radkersburg, Österreich am 21. August 2005

Liebe Gemeinde,

Während des Theologiestudiums gab mir ein Theologieprofessor das Thema zu meiner Seminarabeit:„Familia Dei bei Jesus anhand Markus: 3, 31-35". Ich habe mir viele Gedanken über dieses gestellte Thema: „Was Familie Gottes bei Jesus sei?“ gemacht. Was Familie ist, darüber hatte ich eine klare Vorstellung. Doch: „Was Familie Gottes bei Jesus sei?“ konnte ich mir nicht so recht vorstellen und geschweige denn etwas darüber schreiben. Ich habe das Thema zurückgegeben und ein anderes für meine Seminararbeit gewählt. Das Thema "Familie Gottes bei Jesus" hat mich seitdem nie mehr losgelassen. Ich stellte aufgrund dieses Erlebnisses fest: es gibt Bibeltexte, die einen sofort ansprechen und wiederum andere, die einem zunächst verschlossen bleiben und sich erst nach Jahren öffnen. Es ist schon eigenartig mit den Geheimnissen des Reich Gottes und des Glaubens. Ich finde dies gut so, dass das Reich Gottes und der Glaube ein Geheimnisse bleiben, die sich erst im Laufe des Lebens eröffnen und einen bereichern. Dass heißt auch mit anderen Worten: Um das Reich Gottes und um den Glauben für das persönliche Leben muss ein jeder Mensch ringen.

Es erscheint so, dass ein Bibeltext manchmal öfters gelesen und meditiert werden muss bis er sich einem erschließt, um dann einem die Botschaft Gottes zu eröffnen. Es lohnt sich, vom Bibeltext sich ansprechen und führen zu lassen, um neue Gedanken für das persönliche Leben zu gewinnen.

Durch den heutigen Bibeltext werden wir in die Familiengeschichte Jesu hineingenommen. Wir erleben wie es in ihr zuging. Zunächst erfahren wir etwas über Jesus persönliche Familie: seine Mutter wie auch seine Brüder sorgten sich um ihn als Prediger. Sie wussten, dass die Priester, so wie es das Neue Testament berichtet, Jesus beobachteten, um ihn dann den Prozess: wegen Unruhestiftung machen zu können. Jesus war also in Gefahr. Deshalb handelten seine Familienangehörige genauso wie auch heute Familienangehörige handeln: seine Mutter und seine Brüder versuchen ihn wieder in den Schutz der Familie nach Hause zu holen. Doch Jesus lehnte dies ab, nicht aus Ungehorsam gegenüber seiner Familie oder um die Konfrontation mit den Priestern zu suchen, sondern um seine Aufgabe, die Botschaft Gottes treu zu verkündigen, zu erfüllen. Immer wieder geriet Jesus in Interessenskonflikte mit dem, was die Menschen von ihm wollten und dem, was sein Auftrag und seine Botschaft waren. Jesus hatte diese Spannungen ausgehalten und sich nicht von seinem Weg und Auftrag abbringen lassen.

Jesus wusste Bescheid um die Familie als Gemeinschaft von Mann und Frau; ebenso um die Großfamilie, zu der die Großeltern wie auch Tanten, Onkels und Verwandten gehörten. Jesus war in ihr aufgewachsen. Er sah die Familie als Schutzraum an, die Geborgenheit gewährt. Jesus hat die Familie also betont und nicht aufgelöst oder abgelehnt, wie manche behaupten. Doch Jesus hatte von seiner Botschaft her eine andere Vorstellung von Familie. Er verstand seine Worte als konkrete Lebensanweisung und Eröffnung eines neuen Lebens. Er wollte mit ihnen den Begriff der Familie weiten und ihn in einen größeren Zusammenhang mit Gott stellen. Denn bei Jesus sind Glaube, Wort und Tat eins und wollen das Alltagsleben bestimmen.

Jesus war kein Schwärmer. Er war auch kein Gottbegeisterter der damaligen Zeit, der sich in die Einsamkeit und Wüste zurückgezogen hat. Für ihn galt es als eine Selbstverständlichkeit: Gott gehört in das Alltagsleben. Dies lebte er mit seiner Jüngerschar.

Jesus hatte zwar keine Familie gegründet. Doch er verstand etwas von einer Familie. Die Evangelien berichten, wie Jesus Menschen in seine Nachfolge gerufen und auch für sie gesorgt hat: „Als er ein Stück weiter gegangen war, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und seinen Bruder Johannes, auch sie waren im Boot und richteten ihre Netze her. Sofort rief er sie und sie ließen ihren Vater Zebedäus mit seinen Tagelöhnern im Boot zurück und folgten Jesus.“ (Markus 1,16-20)

Den Vater verlassen und dem Meister nachfolgen - das war ein Leitmotiv der Jünger Berufung Jesus. Er hatte durch seinen Anruf Menschen in eine neue Gemeinschaft geführt und sie zu seinen Jüngern gemacht und mit dem Auftrag belehnt, Gottes Botschaft weiterzugeben. Auch wenn sich später die Mönchsbewegung an Jesus Worte orientierte, so hat er doch keine Klostergemeinschaft gegründet, sondern eine Gemeinschaft in und für diese Welt geschaffen. In ihr sollte das Neue des Reich Gottes aufblitzen.

Jesus hat Menschen aus allen Sozialschichten angesprochen und wenig Wert auf Abstammungsverbindungen gelegt. Er hat Menschen zusammengeführt, die nur von dem Glauben an Gott und seinem Reich bestimmt waren und sozial verantwortlich in der Alltagsgesellschaft leben wollten. Jesus war rigoros in diesem seinen Anspruch: „Zu einem anderen sagte Jesus: Folge mir nach! Der erwiderte: Lass mich zuerst heimgehen und meinen Vater begraben! Jesus sagte zu ihm: Lasst die Toten ihre Toten begraben. Du aber geh und verkünde das Reich Gottes.“ Dieser Bericht signalisierte einen Bruch mit der jüdischen Tradition. Denn es war Sohnespflicht beim Tod des Vaters und der Mutter das Kaddisch-Gebet, das Totengebet, zu sprechen. Jesus hatte bewusst mit dieser Tradition gebrochen. Er hatte das Alte beiseite geschoben, um Neues anfangen zu können. Für ihn war Gott ein Gott der Lebendigen und nicht der Toten. Ihm galt es vor allem zu dienen. Damit richtete Jesus die Menschen neu auf Gott als Lebensgrund und damit gleichzeitig auf das Leben aus.

Ja, Jesus ging noch weiter. Dem jüdischen Heilsvertrauen aufgrund der Abstammung, setzte er gemäß der Evangelien die Rechtfertigung aus Werken entgegen. Jesus nimmt das auf, was Johannes der Täufer den Sadduzäern und Pharisäern gepredigt hat: „Ihr Schlangen, wer hat euch gelehrt, dass ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt? Bringt Früchte hervor, die eure Umkehr zeigen, und meint nicht, ihr könntet sagen: Wir haben ja Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Aus diesen Steinen kann Gott Kinder Abrahams machen.“ Also nicht die Abstammung auch nicht die Ahnentradition zählte für Jesus, sondern das rechte Tun aus dem Glauben an Gott.

Das Neuen Testament kennt nicht die Geschlechterreihe, also Ahnenreihe, wie das Alte Testament. Lediglich im Matthäus- und Lukasevangelium wird Jesus Ahnenregister als Beweis der Heilsgeschichte erwähnt. Selbst Paulus legte keinen Wert auf die Genealogie so: Titus 3, 9. In der christlichen Gemeinde gilt nur die Taufe als Aufnahme und die Weihe zu den Ämtern nicht die Abstammung. Mit der Taufe beginnt für Jesus die neue Gemeinschaft. Damit wird der Mensch als ein geistiges und geistliches Wesen angesprochen, das aus dem Geist Gottes leben und handeln soll. Die geistlichgesinnten Menschen werden zur Gemeinschaft und damit zur Familie zusammengeführt.

In diesem Sinne hatte Jesus mit seinen Jüngern gelebt und das Vertrauen auf Gott in den Mittelpunkt gestellt. Aus dem Gottvertrauen heraus wurde gearbeitet und die Alltagssorgen wie Hunger und Krankheit gemeistert. In diesem Sinne erinnert seine Jüngerschar an eine Familie. Ja, Jesus weitete den Familienbegriff und richtete ihn durch seine Botschaft auf das Reich Gottes aus. Schutz und Raum für das Alltagsleben gewährt der Glaube an Gott. Damit wird deutlich, dass Jesus die Familie nur aus ihrer Gottesbeziehung bestimmte, die auch das Zusammenleben untereinander prägen sollte. Sie erschien ihm als Ort der Geborgenheit, des Vertrauens und der gegenseitigen Hilfeleistung. Deshalb kann er auch zur Sendung seiner Jünger in die Welt sagen: "Gott hat mir unbeschränkte Vollmacht im Himmel und auf der Erde gegeben. Darum geht nun zu allen Völkern der Welt und macht die Menschen zu meinen Jüngern! Tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch aufgetragen habe. Und das sollt ihr wissen; ich bin immer bei euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt." Damit weitete Jesus den Begriff der Familie zur Menschheitsfamilie. Dieses neue Familienverständnis verdeutlicht, dass das Christentum keine Abstammungsreligion ist, sondern eine sehr ausgeprägte Gemeindereligion, deren Mittelpunkt im Glauben an Gott ruht. Daher ihr Gruß und Wunsch untereinander: "Habt Frieden untereinander", Mark. 9, 50.

Darum steht für die christliche Gemeinde die Taufe als die Geburt aus dem Geiste in dem Vordergrund. Die geistige Wiedergeburt hat für Jesus die entscheidende Bedeutung (Johannes. 3,5). Der glaubende Mensch möge aus dem neuen Geist Gottes leben und handeln und in die Zukunft gehen. Jesus beschreibt Familie nicht durch Gefühle, so: Wir sind alle Eins. Dies wird in der Gruppentherapie gepflegt. Vielmehr sah er seine Familie ganz konkret als Willensgemeinschaft an, die den Willen Gottes verlebendigt: Gottesfreundlichkeit allen Menschen zu bringen und damit die Menschlichkeit auf Erden zu verwirklichen.

Gewiss auch wir kennen, dass die Familie eine Willensgemeinschaft ist, die zusammenzuhalten, zusammenzuarbeiten und zusammenzuleben hat. Der Wert der Willensgemeinschaft ist für das Wohlergehen der Familiengeschichte wichtig und dies wird auch in den Familienromanen beschrieben. Es werden Erwartungen an die Familiennachkommen gestellt: sie sollen das Familienerbe, den guten Geist, weitergeben und erhalten.

Jesus hatte eine konkrete Erwartung an seine Familie, die aus den Gläubigen entstand, den Willen Gottes aus Liebe zu tun, weil Gott der Lebensgrund ist. Jesus hatte dies konkret seinen Jüngern durch Taten und Lehre vorgelebt. Er hat damit Glaubenden eine Orientierung gegeben.

Menschen leben vom Vorgegebenen und von Vorbildern. Sie werden in die Familie hineingeboren und von der Gesellschaft getragen. Als Glaubende wissen sie um die Liebe Gottes, die sie trägt und befähigt. Jesus, der um die Liebe Gottes wusste, konnte er seiner Mutter und seinen Brüdern sein Lebensprogramm und seine Familie erklären: "Die Familie ist die Willensgemeinschaft Gottes und meine Brüder, Schwester und Mutter sind diejenigen, die den Willen Gottes tun". Der Glaube an Gott und das Leben aus dem Glauben haben einen festen Mittelpunkt in Gott, der sie befähigt Gottes Willen zu tun, konkret den Glauben im Alltagsleben zu leben. Der Geist Gottes ist es, der die Glaubensgemeinschaft und die neue Beziehung unter einander stiftet.

Wir erleben dies bei der Taufe eines Kindes, wenn ihm Gottes Geist zugesprochen wird und wenn es in die christliche Gemeinde aufgenommen wird. Die Familie wird durch die Taufhandlung zur Gottes Familie und auch zur neuen Gemeindefamilie. Wichtig erscheinen die Taufpaten bei der Taufe. Durch sie wird bereits für das Kind eine Sozialbeziehung über die Familie hinaus geschaffen. Die Paten haben neben der sozialen Verpflichtung vor allem auch die Aufgabe, die christliche Lehre weiterzugeben. Jesus baute und baut das Reich Gottes durch die, die den Willen des Vaters tun. Damit unterscheidet er sich von den Erbauern der Weltreiche, die mit Gewalt und Macht herrschten und regieren. Jesus regiert durch den Zuspruch der Menschlichkeit Gottes, der kein gefühlsmäßiger ist, sondern ein ganz konkreter und von Gottes Liebe bestimmter ist: der Isolierte in die Gemeinschaft holt und Kranke gesund macht und sie somit wieder in die Gemeinschaft stellt. Das gilt auch für die Gemütskranken, die außerhalb der Gesellschaft leben. Jesus heilt sie und macht sie gemeinschaftsfähig. Ja, all sein Tun zielt darauf ab, die Menschen zu einer großen Familie zusammenzuschließen, in der sich keiner ausgeschlossen fühlen muss, der guten Willens ist. Es muss schon eine Wechselbeziehung von Geben und Nehmen vorherrschen.

Jesus will durch die Errichtung des Reiches Gottes, dem Menschen seine Menschlichkeit wiedergeben. Durch seine Botschaft von Gott will er die Menschen zu einer großen Menschheitsfamilie zusammenzuführen. Durch sein Bild von Familie weitet es Jesus zur Familie Gottes und benennt auch ihre Lebenszielvorstellung: „Seid vollkommen wie euer Vater in Himmel: Matthäus 5,48. Jesus konnte den Fragenden: "Was soll ich tun?“ antworten: „Willst du mir nachfolgen?“ Das heißt, willst Du als Mensch aus dem Glauben an Gott leben und handeln. Ja, darauf kommt es an. Dies gibt dem Leben Sinn. Dies schafft auch die neuen sozialen Beziehungen der neuen Familie, die ein Netzwerk von Familien sein kann und will: Arbeitsfamilie, Krankenhausfamilie, Gemeindefamilie und weltweite Familie. Mit Jesus neuem Familienbegriff kann die kalte und anonym werdende Gesellschaft sich zu einer lebendigen und verantwortlichen Gemeinschaft entwickeln. Und noch etwas muss gesagt werden, durch den Glauben an Gott sind wir Christen zu einem großen Netzwerk von Familien auf der Welt geworden. Denn die Christen auf der Welt wissen um einander Bescheid und versuchen sich gegenseitig zu helfen. Amen.

nach oben





Autor: Pfarrer Dr. Horst Jesse, München